Sie hat ein großes Herz
Corona ist bald überstanden
95. Tag, Türkei: Endlich lassen die Symptome nach! Hab noch Honig im Kopf. Doch Corona ist bald überstanden. Was für ein Glück, dass ich seit fast vier Wochen bei Seher Odabasi bin! Sie hat ein großes Herz.
Ich habe sie in Montenegro kennengelernt, im Hostel „Namaste“. Unser Lieblingsthema dort war Psychologie, das Analysieren von Beziehungen und eigenen Verhaltensmustern. Ich neige dazu, mich leicht unterzuordnen, weil ich es von klein auf gewöhnt bin. Das hat in der Vergangenheit entsprechend dominante Menschen in mein Leben gezogen. Seher macht mich darauf aufmeksam.
Seher ist ein selbstbewusster Charakter, von Beruf Doktorin, mit einem guten Herz. Auf ihrem Balkon in Istanbul greifen wir unser Lieblingsthema wieder auf und sprechen über Glaubenssätze und Psychologie. „Du kannst einen Menschen daran erkennen, ob er die Macht, die du ihm gibst, missbraucht, oder nicht“, sagt sie.
Gastfreundschaft in der Türkei
Dann kommen Freunde von ihr zu Besuch: Mazlum, Bedi, Ersan, Tuba, … Ich bin jedes Mal über die Gastfreundschaft, die Offenheit und die Güte der Menschen hier in Istanbul erstaunt. Langsam gewöhne ich mich daran, dass es völlig normal ist, dass ein Fremder dir die Tür aufhält, wenn du schwer beladen mit Einkäufen an der Haustür stehst und du versucht sie aufzuschieben.
Alles, was die Freunde mitbringen, gehört der Gemeinschaft: Obst, Fleisch, Gemüse, Cola, Bier, Zigaretten, unfassbar leckeres Dessert. Jeder isst nach Herzenslust, genießt den Abend. Wir lachen über türkische Komiker, deutsche Witze, sprechen über die Arbeit. Es klingelt an der Tür. Weitere Freunde kommen zu Besuch. Auf dem Balkon wird es eng.
Ich frage mich, wie wir Deutschen miteinander umgehen. Im Grunde genommen sind wir auch so. Wir zeigen das bloß anders und für einen Außenstehenden könnte es so aussehen, als ob wir etwas unbeholfen aufeinander zugehen. Doch hinter den von Kind auf gelernten Verhaltensmustern schlägt in unseren beiden Kulturen ein großes Herz.
Dank Seher und ihren Freunden lerne ich mich zu entspannen. Obwohl ich hier niemanden kenne, bin ich sofort akzeptiert, genau so, wie ich bin. Wie war das in den vergangenen Monaten noch? Ich hatte eine riesige Angst vor dem, was auf mich zu kommt, insbesondere in der Türkei. „Ich vertraue dem Leben“, lautete mein Mantra.
Das Leben hat mich in Istanbul mit weit geöffneten Armen empfangen.