Ins Vertrauen kommen

Die Bewertungen im Hinterkopf hören auf

29. Tag, Albanien: Die Fahrt von Durres zum Ohridsee an der Grenze zu Griechenland hat mich wieder Überwindung gekostet, weil die meisten Projekte zum Arbeiten für unterwegs sich in Luft aufgelöst haben. Der Eine kann nicht bezahlen. Der Andere ist aus privaten Gründen ausgestiegen. Der Nächste wartet auf seinen längst geplanten Geschäftsstart.

Doch das gehört dazu. Ich bin diese Reise angetreten, weil ich über mich selbst hinaus wachsen und ins Vertrauen kommen will. Das wird zu meinem Mantra. Auf der Fahrt sage ich mir immer wieder: „Ich bin im Vertrauen. Das Leben trägt mich.“

Mit Genugtuung stelle ich nebenbei fest, dass die pausenlosen Bewertungen in meinem Hinterkopf aufgehört haben. Diese Kräfte zehrenden Gedanken waren mir in Durres schon aufgefallen – durch ihre Abwesenheit. Ich habe diesen Gedanken einen Namen gegeben: „Bewerter“.

Sendepause

„Bewerter“ ist normalerweise damit beschäftigt, für mich alles zu kommentieren, was ich sehe, höre und mache. Wenn er früher am reden war, hat sich das so angehört: „Guck dir mal den da an. Was für eine komische Brille trägt der denn?“, „Hast du bemerkt, wie arrogant die war?“, „Meinst du wirklich, du warst nett genug?“, „Was soll bloß werden?“.

Jetzt stottert „Bewerter“ vor sich hin. Er macht Ansätze mit erhobenem Zeigefinger, um gleich danach mit einem „Äh“, „Öh“ oder „Uh“ zu verstummen. Ihm fehlen die Bezugsrahmen. Was hat die Person da gerade auf Albanisch gesagt? Keine Ahnung. Wie, hier sitzen Senioren in Parks zusammen und unterhalten sich miteinander? Kenne ich so nicht. Was hat das gekostet? Rechne mal um.

Ich glaube, „Bewerter“ meint es gut mit mir. Doch sein Eifer in allen Ehren. In der Vergangenheit hat er es eindeutig übertrieben. Er hat jetzt Sendepause. Ich bin gespannt auf den Ohridsee.

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