Sorglos und frei

Karutious ist plötzlich einfach da

52. Tag, Griechenland: Am Strand von Fanari treffe ich Karutious. Ich schaue auf das Meer. Er spricht mich einfach an. „Ich habe Multiple Sklerose“, sagt er und stakst vor mir hin und her, während er einfach drauflos erzählt. Das Gehen fällt ihm nicht leicht. Sein Gleichgewichtssinn ist gestört. Er zeigt mir mehrere Narben auf seinem Körper. Karutious ist mehrmals operiert worden.

Er erzählt mir von seinen Einschränkungen mit einer Lebensfreude, die mich überrascht. Karutious ist Präsident einer Organisation, die sich für Menschen mit körperlichen Einschränkungen einsetzt, der Somatio Amere Rodopis. Einiges, was er mir erzählt, verstehe ich aufgrund er Sprache nicht. Doch ich verstehe klar und deutlich, dass er trotz aller seiner körperlichen Einschränkungen jeden Tag feiert, als ob er sein letzter wäre.

Im Wasser ist er frei

Jeden Tag kommt er zu diesem Strand um zu Schnorcheln. Mit seinem Handy macht er Videos von der Welt unter der Wasseroberfläche. „An Land bin ich unbeholfen. Doch im Wasser bin ich frei wie ein Vogel am Himmel“, sagt er. An Land hat seine Wirbelsäule schwer zu tragen. Beim Schwimmen fühlt sie sich leicht an.

Seltsam, denke ich. Bis eben sah ich schwermütig auf das Meer hinaus, weil ich mich um meine eigenen kleinen Probleme drehte. Dann kommt ein wildfremder Mensch daher und zeigt mir, wie reich beschenkt ich mit meinem gesunden Körper bin. Ich erkenne, dass ich mir meine Probleme selber mache.

Karutious hat sich die Tauchermaske und den Schnorchel aufgesetzt. Er stakst mit Flossen an den Füßen zu den Wellen und verschwindet langsam in der Brandung. Ich sehe wie er untertaucht. Für einen Moment reckt er seine Taucherflossen in den Himmel und zieht sie dann wie ein Delphin mit in die Tiefe. Jetzt schwimmt Karutious in einem Meer der Sorglosigkeit und Freiheit.

Frank D. Lemke
Post by Frank D. Lemke

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