Die Angst vor der Freiheit

Deswegen ist Gehen eine Erlösung

Ich habe eine große Runde gedreht: Von den Vereinigten Arabischen Emriaten über Italen und einen kurzen Abstecher nach Deutschland wieder zurück nach Georgien. In einer einsamen Hütte in den Bergen reflektiere ich über die vergangenen zwei Jahre, und was ich davon mit Dir teilen kann. Falls Du so wie ich frei von Zwängen sein willst, kann ich Dir ein paar Tipps geben und zeigen, wo die Fallstricke auf dem Weg in die Freiheit sind.

Rückschau auf die bisherige Reise

Arbeitsplatz in einer einsamen Hütte in den Bergen in Georgien.

Arbeitsplatz in den Bergen Georgiens, in einer einsamen Hütte.

Mein Leben in Deutschland war wie ein Gefängnis. Ich kleidete mich, wie es mir die Medien vorgaben. Ich lebte, wie es mir in der Schule beigebracht wurde und träumte von Freiheit. Ich suchte nach Antworten, einem alternativen Leben. Nach jahrelangem Studieren an Universitäten, in Bibliotheken und auf Reisen habe ich so manches erkannt und Vertrauen in Gott gefunden. Doch ich war nach wie vor in meinem mentalen Gefängnis eingesperrt – und in gewisser Weise bin ich das immer noch.

Denn vor einem Jahr, nach meiner Reise durch Europa und einem längeren Aufenthalt in Georgien, stand ich kurz davor, weiter nach Armenien und durch den Iran zu fahren. Ich wollte mit dem Auto nach Tibet.

Warum zögern?

Was hat mich zurückgehalten? Was ließ mich auf meine alten Gewohnheiten und Bindungen zurückblicken, auf der Suche nach Anerkennung, nach Erfolg, nach Geld und der süßen Sinnlichkeit mit Frauen?

Ich war nah dran, das alles hinter mir zu lassen und darauf zu vertrauen, dass der Weg entsteht, indem man ihn geht. Doch ich entschied mich für „Sicherheit“ – das, was ich kannte. Die Städte um mich herum hatten sich verändert, die Menschen waren andere. Doch ich war an mein altes Leben gebunden, an meine alten Vorstellungen von dem, was gut und was richtig ist.

Freiheit und mentale Mauern

Eine einsame Hütte in den Bergen Georgiens.

Ein stilles Refugium, weit abgelegen in der Natur.

Ich bin jemand, der wahre Freiheit fürchtet und gleichzeitig die unsichtbaren Mauern des täglichen Lebens ablehnt: einer leeren Arbeit nachgehen, Befehlen gehorchen, ums Überleben kämpfen. Viele Menschen wissen um ihr mentales Gefängnis, doch sie versuchen nicht, daraus zu entkommen.

Die Mauern dieses Gefängnisses sind eigenartig. Wenn du jung bist, hasst du sie. Aber irgendwann wirst du abhängig von ihnen.

Freiheit fühlt sich wie ein Exil an, eine Welt, in die wir nicht gehören. Das denken wir zumindest. Und wenn wir uns dann in diesem Exil wiederfinden, ist diese Leere, der wir alleine gegenüberstehen, nicht leicht zu ertragen.

Die Welt ist voller Magie

Also blieb ich vorerst in Georgien und fuhr nicht weiter nach Tibet, sondern genoß die kleinen Freuden des Lebens. Ich arbeitete, liebte, verzweifelte und versuchte mich einigermaßen in dem einzurichten, was ich bereits kannte. Mein Weg führte mich in ultraluxuriöse Resorts in Abu Dhabi, an die Strände Italiens und in die Weite der norddeutschen Tiefebene.

Es war und ist eine schöne Zeit und ich bin dankbar für jeden Tag mit liebevollen Menschen um mich herum, mit denen das Leben Spaß macht.

Und doch ich gebe die Hoffnung nicht auf, eines Tages wirklich über mich selbst hinaus zu wachsen. Die Welt ist voller Magie und es gibt da draußen weit mehr, als wir uns erträumen können.

Das Echo der Aufersteheung

Deswegen, lass uns noch einmal genau hinsehen, was es bedeutet, zu gehen: Loslassen fühlt sich wie Sterben an, weil wir Abscheid von etwas oder jemandem nehmen, der uns lieb und wichtig geworden ist. Aber mit dem Tod kommt die Wiedergeburt, und wir werden zu einem neuen Menschen, einem, den es vorher nicht gegeben hat. Bis zu dem Moment, in dem wir loslassen, hat dieser neue Mensch nicht existiert.

Im Gehen erklingt das Echo der Auferstehung. Und indem wir dieses neue Leben annehmen, fällt ein neutrales Urteil über das alte, welches wir zuvor gelebt haben.

Die Flügel ausbreiten und fliegen

Ausblick auf die Berge Georgiens durch ein Gatter.

Die Freiheit ist nah.

Ich verstehe aus eigener Erfahrung, weshalb so viele Menschen in einem Leben aus Kleinkriegen, Konsum und Amüsement gefangen sind. Leider habe ich nur eine grobe Vorstellung davon, was es bedeutet, seine geistigen und emotionalen Mauern zu überwinden.

Aber ich weiß, dass einige Vögel nicht dazu geschaffen sind, eingesperrt zu sein. Sie haben ein zu glänzendes Gefieder. Und wenn sie davonfliegen, dann jubelt der Teil in mir, der weiß, dass es eine Sünde war, sie einzusperren. Und dennoch ist es da, wo man lebt, traurig und leerer, wenn sie weg sind.

Unschlüssig zwischen zwei Welten

Ich blicke zurück auf den Jungen, der ich vor zwanzig Jahren war. Ich blicke zurück und sehe Hoffnungen und Träume, einen träumerischen Mitläufer, der nicht den Mut hatte zu sich selbst zu stehen und die Reise anzutreten, auf die ich mich vor mehr als zwei Jahren begeben habe.

Ich würde gerne mit ihm reden. Ich würde ihm den Kopf waschen, ihm sagen, wie die Dinge wirklich sind. Leider geht das nicht.

Der Junge ist weg. Übrig ist ein Mensch Anfang Vierzig, der entweder weiter gehen und seinen Traum leben, oder bleiben kann, wo er ist – ein halb fertiger Mann, unschlüssig auf der Türschwelle zwischen zwei Welten …

Wenn Du an meiner Stelle wärest, was würdest Du tun?

Frank D. Lemke
Post by Frank D. Lemke

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